Unaussprechlich und so wichtig – Immunabwehr und Inzucht

Von Angela Harvey, Wicani Collies und Wicantoft Tofties

Was bedeutet Haplotypen?

MHC-Haplotypen sind notwendig für die Fortsetzung des Lebens. Nicht nur das, sondern sie sind notwendig, um eine große Vielfalt der Haplotypen in der Rasse zu erhalten. Es ist mir klar, dass eine Erklärung des MHC viel zu komplex ist und ich bemühe mich, die Sache möglichst simpel darzustellen. 

Haplo steht für griechisch haplus oder haploos „einfach“ und „typos“ „Abbild, Muster“. 

Regulierung des Immunsystems

Das Immunsystem wird regiert vom „Major Histocompatability Complex“, zu deutsche Haupthistokompatibilitätskomplex – MHC. 

Diese Gruppe von Genen nennt man „Komplex“, weil sie alle dicht zusammen auf einem Chromosom angeordnet sind. Diese Lage garantiert praktisch, dass die Gene als eine Einheit vererbt werden, die man Haplotyp nennt.

Dieser Haplotyp wird an die Nachkommen weitergegeben, ohne dass sie durcheinandergewürfelt werden, wie man es von den Genen in Spermien oder Eizellen kennt. Jedes Individuum besitzt zwei MHC-Haplotypen und hat eines davon von jedem Elternteil geerbt. 

Diese Haplotypen befähigen das Immunsystem auf Viren und Bakterien zu reagieren und sie zu bekämpfen. Alle Säugetiere besitzen sie. In jeder wilden Tierart und beim Menschen gibt es so viele Varianten innerhalb dieser Haplotypen, dass viele Individuen einmalige Kombinationen aufweisen. MHC-Gene haben eine hohe Mutationsrate; aus gutem Grund, denn ihre Vielfältigkeit ist SEHR wichtig für das Überleben einer Spezies.

MHC die Antwort der Natur auf Infektionskrankheiten

Lediglich eine Hand voll Allele würde keine ausreichende Flexibilität bieten, um den immer wieder auftauchenden Pathogenen (Krankmachern) eintgegenzutreten.


In den meisten Fällen unterscheiden sich die Haplotypen eines Hundes, so dass sie Wahrscheinlichkeit steigt, dass in seinem Immunarsenal die geeignete Waffe gegen irgendwelche krankmachenden Erreger zum Einsatz kommen kann.

Jedes Individuum hat zwei Haplotypen, aber die gesamte Population einer Spezies hat unendlich viele. Tritt also eine neue Krankheit auf, wird die Spezies überleben, auch wenn einige sterben, denn einige werden stets die geeignete Kombination der MHC-Allele besitzen, um die Attacke niederzuschlagen.

Die Überlebenden der Epidemie haben die „richtige“ Kombination der MHC-Allele, um diese spezielle Infektionskrankheit zu bekämpfen. Die gleiche Krankheit mag immer wieder auftreten, aber mit der Zeit wird sie immer weniger virulent, denn die Individuen mit nicht ausreichender MHC sind gestorben und aus der Zuchtpopulation verschwunden. Die hohe Mutationsrate des MHC garantiert, dass es reichlich Munition gegen irgendwelche neuen Plagen gibt, die da kommen mögen.

Einfaches Beispiel

Nehmen wir an, jedes Elternteil hat jeweils eine Tüte voll Medikamente gegen Infektionskrankheiten. Diese erbt der Welpe. Lasst uns nun die Tüten öffnen… wir finden in diesen beiden Tüten etwa sechs Mittel gegen Viruserkrankungen, sieben gegen bakterielle Infektionen und ein Antihistamin gegen Allergien. Wenn aber beide Tüten das gleiche enthalten, dann ist die Auswahl für den Welpen sehr viel geringer. Wird er krank, hat er geringere Chancen, das geeignete Mittel in einer der Tüten zu finden.

Kommen wir jetzt zu dem wichtigen Teil!

Die Natur vermeidet Inzucht

Um die MHC-Vielfalt innerhalb einer Spezies zu sichern, vermeiden alle sich natürlich fortpflanzenden Spezies Inzucht oder schränken sie ein, dazu gehört auch Linienzucht. Studien an Mäusen haben ergeben, dass die Weibchen Männchen bevorzugen, die in ihrem MHC möglichst unterschiedlich sind.  Damit stellen sie sicher, dass die Nachkommen mit diesem Männchen ein flexibles Immunsystem haben. Es gibt zwar keine Studien über Hunde, aber es gibt viele Berichte von Hündinnen, die sich nicht von eng verwandten Rüden decken lassen wollen. 

Bei einem ingezüchteten Tier erhöht sich das Risiko, dass beide Eltern identische Gene innerhalb des MHC weitergeben. Diese Situation verringert die Fähigkeit des Körpers, eine erfolgreiche Immunreaktion aufzubauen. Solche Hunde sind anfälliger für Infektionen und leiden eher an Autoimmunerkrankungen oder Allergien.

Kommen wir zurück zu unseren Medikamententüten. Je enger die Inzucht hinter unseren Welpen, desto geringer die Chance, viele unterschiedliche Medikamente in der Tüte zu finden.

Risiko für Rassehunde

Insgesamt besitzt die Hundepopulation wahrscheinlich noch die gleiche Vielfalt, die sie immer hatte. ABER wenn wir die Spezies der einzelnen Rassen aufspalten und dann innerhalb dieser Rassen Linien-und Inzucht betreiben, wird die Vielfalt der MHC-Allele eingeschränkt. 

Ohne die Vielfalt im MHC ist der Hund sehr viel krankheitsanfälliger. Ist die Krankheit schwer genug, kann der Hund sterben. Wenn es nur ein paar MHC-Haplotypen in einer Rasse oder Spezies gäbe, wäre das Risiko, dass sie durch eine Seuche komplett ausstirbt, sehr hoch.

Populäre Deckrüden

Der regelmäßige Einsatz beliebter Deckrüden über mehrere Generationen kann die MHC-Vielfalt verwüsten. Da jedes Individuum nur zwei MHC-Haplotypen haben kann und ein beträchtlicher Anteil der Rasse von relativ wenigen Ausgangshunden abstammt, ist die Population nicht mehr fähig, auf die nächste drohende Seuche zu reagieren.

Inzucht ist üblich

Seit mehr als einem Jahrhundert ist Inzucht bei Rassehunden normal. Wir wollen damit sehr effektiv Merkmale festigen, die uns wünschenswert erscheinen. Die Praxis der Inzucht, um Merkmale in der Rasse zu verbessern, führte unbeabsichtigt zu einer Verringerung der MHC-Vielfalt innerhalb der Rasse. Leider akzeptieren viele Züchter nicht, dass fortgesetzte Linienzucht eine Form der Inzucht ist.

Einsatz populärer Deckrüden ist schädlich

Der Gebrauch populärer Deckrüden ist besonders schädlich, weil jeder Rüde nur zwei MHC-Haplotypen haben kann – nicht im entferntesten nahe der Hunderte, die im Genom der Hunde existieren. Wenn deshalb ein beachtlicher Teil der Rasse von einem einzigen Rüden abstammt, dann ist die Widerstandsfähigkeit dieser Hunde gegen Infektionskrankheiten oder die Anfälligkeit für Autoimmunerkrankungen stark beeinträchtigt. Kein Hund mit chronischer Autoimmunerkrankungen oder ernsten Allergien sollte in die Zucht gehen. Zu den Autoimmunerkrankungen gehören die „Collie Nose“, eine autoimmune Dermatitis des Gesichts. Ein wachsendes Problem aufgrund eines unzureichenden Immunsystems ist die generalisierte Demodexräude.

Es lohnt sich deshalb, sich den Inzuchtstatus des Collies näher anzusehen.

Angela Harvey schrieb den Artikel für die Collie Revue vom September 2010!! Sie hatte damals für die East of England Collie Association ein Seminar abgehalten. 

Inzwischen sind 15 Jahre vergangen, man kann problemlos Haplotypen testen lassen. Angela hat inzwischen feststellen müssen, dass die große Mehrheit aller Collies aus aller Welt reinerbig für einen Haplotyp sind! Es gibt einige wenige Varianten, die aber – so die Wissenschaft – für die Gesamtpopulation zu vernachlässigen sind. 

Das veranlasste Angela Harvey schließlich, ein Auskreuzungsprojekt zu starten, über das wir an anderer Stelle ausführlich berichten werden.