Gleicher Ursprung – Hobby reicher Leute

Der Collie in Amerika wurde auf den gleichen Stammtieren aufgebaut wie in England und dem Rest der Welt. Steinreiche Amerikaner kauften die britischen Spitzenhunde und gründeten in den Staaten riesige Zuchtstätten. Der Wettbewerb der Groß-Financiers wie J.P. Morgan und Samuel Untermeyer, die die Colliezucht zu ihrem Hobby erkoren hatten, trieben heftige Blüten. Die Preise wurden astronomisch – nach heutigem Wert ging der 1887 geborene Ch. Christopher für 131.000 Euro über den Atlantik. Eric Knights „Lassie Come Home“-Geschichte spiegelt die Situation damals sehr schön wider. Die Colliezucht in England wurde zu einem spekulativen Geschäft, das vorbei war, als die amerikanischen Milliardäre ihr Interesse verloren. Wer weiß, ob es den Collie ohne sie und der daraus folgenden Romane, Film und Fernsehen überhaupt gäbe.

Mit dem 1. Weltkrieg gingen die Importe aus England zurück. In den USA hatten sich Zuchtstätten entwickelt, die nicht mehr an kaufen-ausstellen-gewinnen, sondern an züchten-ausstellen-gewinnen interessiert waren. Nach dem 2. Weltkrieg ging nur noch ein Collie von Bedeutung in die Staaten: Ch. Bririch Gold Emblem, dessen Wurfbruder Gold Edition die Zucht in England und Europa beeinflusste. In den Staaten führt heute der Milas-Zwinger die englische Linie fort und so kommen mit den Milas Collies auch wieder englische Vorfahren ins Spiel.

Erste Hunde in Europa

Einige amerikanische Collies kamen nach 1945 mit ihren in Deutschland stationierten Militärs und ihren Familien. Einige stellten aus und wurden auch zur Zucht eingesetzt. Als ich in der Collieszene aktiv wurde stieß ich natürlich auf Maria Teresa Garabelli. Ich hatte schon englische Bücher, aber Maria Teresa sagte, „wenn du lernen willst, musst du nach Amerika gehen“. Sie hatte nach zahlreichen Importen aus England ihr Augenmerk auf amerikanische Collies geworfen, die sie für ihre Zucht brauchte. Sie importierte Brandwyne Zio Sam und einen blue merle Knightswood Rip Tide. Sie unterschrieb als Bürge meinen Antrag auf Mitgliedschaft im Collie Club of America, nun erhielt ich das Bulletin und abonnierte Collie Cues. Somit gewann ich Einblick in die amerikanische Collieszene. 

Krise in der deutschen Colliezucht

Zu etwa gleicher Zeit – wir sprechen von den 1960er Jahren – geriet die Colliezucht in Deutschland in eine Krise. Epileptiforme Anfälle häuften sich. Einen deutschen Züchter – Klaus Regner – traf es besonders hart. Er begann mit der Ahnenforschung. Es gab keine Computer und Pedigree Databases. Das befand sich alles in ein paar Ordnern, in denen ich Ahnentafeln gesammelt hatte. Jeder englische Züchter hatte seine eigene Sammlung an Ahnentafeln und ich saß stundenlang bei Blakes auf dem Boden und schrieb sie ab… Man konnte ganze Bücher mit leeren Ahnentafelformularen zum Ausfüllen kaufen. In England gab es nicht einmal offizielle Ahnentafeln, Welpen wurden registriert und bekamen einen kleinen Zettel als Bescheinigung, nur für den Export musste eine Exportahnentafel beim Kennel Club beantragt und gekauft werden. Untereinander arbeiteten die Züchter mit handgeschriebenen Ahnentafeln. Klaus Regner arbeitete mit der Uni Gießen mit Unterstützung des damaligen Präsidenten des Clubs für britische Hütehunde zusammen, und meine Sammlung war ein wichtiger Bestandteil der Forschungsarbeiten.

Liebe auf den ersten Blick

In diesen Ordnern befanden sich auch Bilder und Ahnentafeln aus den USA – Klaus Regner warf einen Blick auf die Fotos und war wie elektrisiert – das waren die Hunde, die er wollte! Wir bemühten uns nun darum, einen Hund zu importieren. Das war gar nicht so einfach, alles ging per snail mail, Fotos zu machen, entwickeln, verschicken dauerte ewig… telefonieren war unendlich teuer. Und der sehr kooperative Züchter, mit dem wir in Kontakt traten, wollte umgerechnet etwa 4.000 DM für einen Welpen, plus Kosten.  Ein VW 1200 kostete 1965 4.980 DM. An einen erwachsenen Hund war mit Transport gar nicht zu denken. Damals war ich Mitglied des Präsidiums als Pressewart und Willi Römpert, Zuchtbuchführer, Zuchtrichterobmann, der alle Fäden der Zucht in Händen hielt, sagte damals: Wenn ich 10.000 DM hätte, würde ich mir einen Hund in Amerika kaufen. So „begnügte“ er sich mit einem Halbami – Delicieux Fulvo di Cambiano, einen Sohn von Brandwyne Zio Sam. Es war ein guter Kauf, der zu einer bedeutenden Verbesserung der Situation in Deutschland beitrug.

Romulus of Heather

Doch Familie Regner gelang es auf privatem Wege einen Rüden in den USA zu kaufen. Lustigerweise die gleiche Zuchtlinie wie Zio Sam! Das war reiner Zufall, und Charlie war auch nicht als Zuchthund verkauft worden. Doch er war ein großer Glücksgriff. Aber über der Konkurrenzsituation und erbitterten Kämpfen, weil Regners Epilepsieerfahrungen ausgerechnet auf einem Rüden von Willi Römpert beruhten, entstand eine Ablehnung der amerikanischen Hunde, die nichts, aber auch gar nichts mit der Qualität der Hunde zu tun hatte, sondern auf rein persönlichen Gründen beruhte und zum Vereinspolitikum wurde. Das hat sich bis heute vererbt, ohne dass überhaupt noch jemand weiß, wie es dazu kam! Sehr schade!

Nicht jedermanns Sache

Natürlich waren Regners nicht die einzigen, die nicht weiterwussten. Und so wandten sich einige Züchter der Not gehorchend den Amis zu, auch wenn es „politisch“ nicht opportun war. Leider waren dies nicht die Züchter, die Ausstellungshunde züchten wollten, so dass die für meine Begriffe besten Hündinnen nicht für die Auskreuzung eingesetzt wurden. Ich fand das sehr schade, denn meine Vorstellung war, amerikanisches Blut einzukreuzen und nicht amerikanische Zweigstellen aufzubauen. Es zeigte sich auch, dass die ersten Amimixe zwar nicht die schönsten Hunde waren, aber die Züchter waren begeistert von ihrem Wesen und Würfen mit vielen, kräftigen, frohwüchsigen Welpen. Eine Freundin formulierte es so: Engländer essen, Amis fressen… 

Diejenigen, die sinnvoll weiter züchteten erreichten schöne Erfolge, wie Familie Schaumann mit ihrer Charlie-Enkelin Queen von der Ruhrstadt. Über einen Ruhrstadt-Collie kam Charlie sogar in die Ahnentafeln englischer Champions – insbesondere der allzeit unvergleichlichen Ingledene Late Night Love.

Mehr Züchter importieren

Meine Freundin Regine Clermont, die ebenfalls einen Rüden an Epilepsie verlor, ließ sich nur zu gerne für amerikanische Blutlinien begeistern. Ihre Collies von den Salzwiesen spielen heute noch eine wichtige Rolle in vielen Ahnentafeln. Leider verstarb sie viel zu früh im Alter von 53 Jahren. Wir gründeten 1977 die Zeitschrift Collie Revue. Sie importierte nach sorgfältiger Recherche eine tragende Hündin – Asgard Althea. 

In Deutschland stationierte US-Züchter

Wenn ich hörte, dass Collieleute in Deutschland stationiert waren, nahm ich Kontakt auf und so kam Wickmere Bolero für einen Wurf in den Zwinger von der Wielandsschmiede. Sie hatte vorher einen Wurf von Delicieux, daher wurde ich auf sie aufmerksam. Dann stieß ich auf die Ra-Wyn Züchter, die eine tragende Hündin mitgebracht hatten, und nicht alle Collies wieder zurück in die USA nehmen wollten. Ich hielt nicht Ruhe, bis Regners einen Rüden von 10 Welpen kauften und Hermann und Margrit Steinbrink (Collies von der Schönebecker Schweiz) übernahm die tricolour Ra-Wyn Hi Vu Hiflutin. Es gab noch einen Jungrüden und eine wunderschöne gelbe Hündin, aber ich fand keinen, der sie haben wollte. 

In Europa erfolgreich

Ich stieß ebenfalls auf Pat Eckstein, deren Mann in der Schweiz beruflich tätig war und die Collies mitgebracht hatte. Sie hatte große Erfolge mit ihrem blue merle Cranberry Scan the Sky, der Int. Ch. wurde. Silke Hoppmann, Collies von der Silkinen Burg, kaufte Anfang der 1970er Jahre von ihr den tricolour Two Jays Night Voyageur – der sich leider als unfruchtbar erwies. Ich vergesse nie, wie wir stolz mit unserer neuen Errungenschaft auf dem Nachhauseweg Regners besuchten – Magdalene griff nach seinen Hoden und war entsetzt – sie waren klein und weich! Ich hatte natürlich zwei gefühlt, aber von Größe und Festigkeit verstand ich nichts… Hermann Steinbrink importierte Mitte der 1980er Jahre den hübschen Glen Hill City Slicker – auch er erwies sich nach zwei Würfen als unfruchtbar und ging in Privathand. Silke importierte einen tricolour Rüden, der extreme Hautprobleme hatte und nicht in die Zucht ging. Hatte er Demodex oder DMS? Eine Deckfahrt zu einem Importrüden nach Neapel blieb ohne Erfolg.

Viel Geld und große Hoffnungen wurden in den Sand gesetzt… dennoch war Aufgabe keine Option, und die amerikanischen Linien haben sich bis heute etabliert. 

Alexanders bauten Anfang der 1990er Jahre ihre Ohmtalteufel mit US-Importen auf und schufen einen starken Stamm, aus dem zahlreiche Zuchten hervorgingen. Bis heute spezialisieren sich einige Zuchtstätten auf den amerikanischen Typ. 

Getrennte Wege

Seither trennten sich die Wege – manche Züchter vermischen englische und amerikanische Linien – andere spezialisieren sich auf Importe und deren Nachkommen. Leider haben es die Nachkommen amerikanischer Linien im Ausstellungsring schwer, oftmals kostet es Mühe ein „Sehr gut“ für die Zuchtzulassung zu bekommen, und das ohne jeden Grund. Manche Züchter englischer Linien sind der Meinung, es handele sich um zwei verschiedene Rassen, was natürlich vollkommener Unsinn ist. Der Ursprung ist der gleiche, nur durch die lange separate Zucht liegen die gemeinsamen Vorfahren an die 100 Jahre zurück, so dass man heute von einer Outcross-Möglichkeit sprechen kann. Der Typ ist deutlich unterschiedlich, nicht zuletzt, weil sich der englische Typ drastisch verändert hat. In den 1960er Jahren gab es diese starken Unterschiede nicht. Es ist bedauerlich, dass manche Richter „Partei ergreifen“ und die Vorzüge und Fehler nicht am Standard abgleichen, sondern am eigenen Geschmack. Für den „opportunen englischen“ Typ sieht man großzügig über selbst anatomisch schwerwiegende Fehler hinweg, bei den Amerikanern straft man ab… auch wenn sie in den Rahmen des FCI-Standards passen. 

So sind die Züchter und Liebhaber des amerikanischen Typs auf unvoreingenommene Richter angewiesen, die meist aus dem Ausland kommen. Eine für die Rasse fatale und unvernünftige Situation, gerade in der heutigen Zeit. 

Größer, kräftiger, belastbarer

Amerikanische Collies sind kräftiger, größer und in aller Regel im Wesen die belastbareren Hunde. Ich führe es darauf zurück, dass das Ausstellungssystem in den USA keine Hunde duldet, die sich nicht selbstbewußt, frei, stolz und freudig präsentieren. Meine amerikanischen Freunde, die hier ein paar Shows gesehen haben, waren entsetzt, insbesondere über die schlechte Präsentation. In den USA geht man mit Anzug und schickem Kostümchen in den Ring, nicht in Freizeitklamotten… und der Hund muss sofort positiv ins Auge fallen, sobald er den Ring betritt… 

Wo Ami draufsteht…

…ist nicht unbedingt Ami drin. Es gibt kommerzielle Züchter, die werben mit „amerikanischen Collies“, aber die Hunde haben keinen einzigen amerikanischen Vorfahren. Ich liebe den Begriff amerikanische Collies gar nicht und finde ihn nur angemessen für Hunde, die in den USA geboren wurden. Alle anderen sind in meinen Augen amerikanischer Herkunft. 

Copyright: Eva-Maria Krämer