… von Collie, Sheltie, Katz und Co.

Rückblicke – Collie Revue Nr. 114 – Dezember 2005

Gerda Bodenberger erinnert sich 

Als mir Frau Krämer vorschlug eine Zusammenfassung meines Lebens mit Hunden, d.h. mit Collies und Shelties, zu schreiben, erschien es mir unmöglich. Mit 75 Jahren hat das Gedächtnis aus Altersgründen viele größere Löcher wie ein Sieb. Und über Vieles, was vor Jahren so unsagbar wichtig war, darüber kann man jetzt lachen.

Mit Hunden aufgewachsen

Ich habe, seit ich auf zwei Beinen stehen kann, immer Hunde gehabt. Zu Hause war es eine kleine Meute weißer Zwergpudel. Als ich 1950 heiratete blieb meinem Mann gar nichts anderes übrig, als mit mir sofort auf Hundesuche zu gehen. Unser erster stolzer Hunderwerb erwies sich als dummer, total unüberlegter Fehlgriff: ein erwachsener Neufundländerrüde in einer Etagenwohnung im ersten Stock ohne Garten. Zum Glück nahm ihn der Züchter zurück. Später habe ich nicht verstanden, wie ein Züchter seinen Hund in solche Verhältnisse verkaufen konnte. Wir haben „Tell“ sehr geliebt und es wurde ein tränenreicher Abschied, aber es ging einfach nicht. Und dann wurde ich „am laufenden Band“ schwanger, so dass wir erst 1956 schließlich zu unserem ersten Collie kamen, der blue merle Hündin „Iris of Devon“, geboren am 13.7.1955. Sie hatte eine super Abstammung für die damalige Zeit. Ihr Vater war der in Italien stehende Int.Ch. Sombresextens from Shiel. Die Züchterin beschwor mich Monate lang doch mit ihr zu züchten. Aber das kam für uns „nie und nimmer“ infrage. So kann man sich irren…

Iris of Devon

Züchten? Nie und nimmer…

Dann gab die Züchterin die Zucht auf und vertraute mir ihren Superstar an: Ambra of Devon, eine Hündin, die die Collie-Prominenz wie Dr. Gremme und Willi Römpert gerne gehabt hätte. Aber Frau Michalitschka meinte, etwas Hunde-Verrückteres als mich gäbe es kaum, und das sei ihr letzten Endes wichtiger als Zucht- und Ausstellungerfolge für Ambra. Aber es kommt so oft anders, als man denkt. Steter Tropfen höhlt den Stein. Eines Tages war ich dann doch stolz genug, einen von der Fachwelt hoch gelobten Collie zu besitzen. Ambra, geboren 7.6.1954 (Int.Ch. Sombresextens from Shiel und Int. Ch. Leprechaun of Ladypark) wurde die Stamm-Mutter meiner Zucht, auf die nahezu alle Collies zurückgehen, egal welchen Farbschlages.

Ch. Bundessiegerin 1961 Bera von der Bachstelze

Aus Ambra und Weltsieger Bandit vom Tulpenhof ging Bera von der Bachstelze, geboren am 3.5.1959, hervor, die als erste Collie-Hündin deutscher Zucht internationaler Champion und Bundessiegerin wurde. Von Bera hatte ich viele wunderschöne Kinder mit Tsarina, Natascha und die tricolour Witschy, und dann wieder deren Kinder und Enkelkinder. Es würde zu weit führen, hier alle Namen aufzuführen. Natascha hatte gerade ihr erstes CACIB bekommen, als sie vergiftet wurde. 

Blue Zeus von der Bachstelze Foto Renate Meyer

Große Liebe blue merle…

Meine große Liebe waren und sind die Blue merles. Mein erster Collie war eine blue merle Hündin, Iris of Devon. Etwas Klügeres, Robusteres konnte man sich nicht vorstellen. Sie war mein Babysitter. Als sie die erste Bekanntschaft in ihrem Leben mit einer Schafherde machte, hatte sie nichts Eiligeres zu tun als die Schafherde zusammen zu treiben, als hätte sie in ihrem Leben nichts anderes getan. Ich habe viele Blue merles in meinem Leben gehabt, Collies wie Shelties. Kein Hund war je eine Enttäuschung oder ein Sorgenkind. Es sind Hunde, die man nur von Herzen lieben und respektieren kann.

Opfer der Wissenschaft

Leider wurden unsere Blue merles jahrelang von einem voreingenommenen oder irregeleiteten (?) Genetiker in der gesamten Fachpresse verteufelt. Und leider schrieb dann ein „Fachmann“ vom anderen ab. Unter der Hand wurde mir wohl von Professoren gesagt, dass diese Dissertation zur Untersuchung in einer Merle- Zucht anhand einer Inzucht Tigerteckel-Gruppe wissenschaftlich umstritten sei, aber niemand stand zu seinem Wort und half dieser wunderbaren Rasse. Die Blue merle sollten schwimmunfähig sein, unfruchtbar, teilweise blind und taub und nur ein kurzfristiges Leben haben. Nichts davon stimmte! Ich bin innerlich geplatzt über diesen Rufmord, dieser herrlichen, robusten Rasse. Aber dann half das Schicksal – die Hundewelt selbst trat den unwiderlegbaren Gegenbeweis an. Aus Amerika kommend, eroberte eine hier bisher unbekannte Rasse die Ausstellungswelt: der Australian Shepherd, ein Hund, der nur als Gebrauchshund gezüchtet und gehalten wurde und bei dem die Farben Blue und Red Merle häufig vorkommen. Er wird in Amerika seit Jahrzehnten als Rettungshund, Blindenführhund und bei der Drogensuche eingesetzt. Kein Professor half uns, es waren unsere Blue merles selbst! Ich bin glücklich, heute wieder so viele wunderschöne Blue merles im Ausstellungsring zu sehen.

Natürlich treten bei jedem Farbschlag bei jeder Rasse einmal Krankheiten und Nackenschläge in der Zucht auf. Einen Garantieschein auf lebenslängliche Gesundheit gibt es nicht. Weder bei Mensch, noch beim Tier. Beim Tier sind sie eventuell leichter zu korrigieren, wenn der Züchter keine rosarote Brille auf der Nase hat und blind gegen negative Entwicklungen ist.

Gleicher Standard – anderer Hund

Was mich nicht allzu glücklich stimmt ist die Entwicklung des gelb-weißen Collies der letzten Jahre, die dem Standard einfach nicht mehr entsprechen. Alles im Leben ist Veränderungen unterworfen, aber meines Wissens hat sich der englische Standard nie derart drastisch geändert. Wo ist der Collie geblieben: ein Bild von großer Schönheit, wo kein Teil unproportional sein darf. Die Kopfform ist von größter Wichtigkeit. Der Schädel soll flach sein. Wo ist der kräftige, gut gewölbte Hals geblieben? Vor allem aber der Gang soll ausgreifend, leicht und mühelos erscheinen. Was aber vor allem den Bach hinunter gegangen ist, sind Rutenhaltung und Haarkleid. Wo ist unter dem Pelz das geschmeidige Gangwerk noch sichtbar? Das Deckhaar soll straff und hart, die Unterwolle weich und dicht sein, so dass sie die Haut fast vollständig verdeckt. Lieber Himmel, heute muss man wühlen, um noch auf die Haut zu kommen.

Tsarina von der Bachstelze

Rutenhaltung ohne Worte

Die Rutenhaltung bedarf eigentlich keiner Worte. Ein Collie mit auf dem Rücken geringelter Rute, da bekommt jeder Collieliebhaber eine Gänsehaut. Und das ist keine Modetorheit, das ist schlicht und ergreifend eine Fehlentwicklung, die Züchter verschuldet haben. Aber dieses Übel haben wir – mich nicht ausgenommen! – aus England importiert. Ich habe bei der Crufts Collies im Ring gesehen. Traum-Collies. Danach haben wir einen Rundkurs zu verschiedenen Züchtern gemacht. Und da standen mir bei diesen Ringelruten die Haare zu Berge. Mein Traum-Collie hatte bei sich zu Hause die schönste Ringelrute, er machte sich nicht die Mühe, sie auch nur einmal für 5 Minuten runter zu nehmen. Die Ruten waren für die Ausstellung aufs Beste runter dressiert. Wie man das macht, wurde mir später erklärt. Ich habe es nie nachvollzogen, weil ein Collie mit Schweineschwänzchen bei mir niemals in die Zucht gekommen wäre. Schon der Anblick eines Collies mit Ringelrute hätte ich im Haus und Garten nicht ertragen können… Dass es sehr vielen Colliefreunden so geht, bestätigen mir unzählige Anruf auch heute noch, aber das war des Übels Anfang. Man pilgerte zu diesem Deckrüden, der mit allen Ehren überhäuft wurde. Als ich Deckrüden suchte ohne Ch. Aberthorne Arrester in der Ahnentafel war dies nahezu nicht mehr möglich. Gebäudefehler nach Generationen wieder aus der Zucht heraus zu bekommen ist sehr schwer. Ein „alter“ Collie mit fließendem Gangwerk, einem Haarkleid, das die Körperlinie des Hundes zeigt mit guter Nacken-Schulterpartie und einer perfekt getragenen Rute, das wäre mein Wunsch.

Wesensprobleme für Schönheit

Ich war 13 Jahre lang Hauptzuchtwart und Willi Römpert Zuchtbuchführer und Richterobmann im Club für britische Hütehunde. Herr Römpert war ein harter Lehrmeister, er nahm sich kein Blatt vor den Mund. Ich habe manchmal die Luft angehalten, aber er war ein Fachmann durch und durch. Ich weiß noch wie heute, wie er allen Richtern immer eingebläut hat:  „Jeder Richter, und sei er noch so lange im Geschäft, muss, bevor er mit dem Richten beginnt, seinen Standard nochmals durchlesen. Dann passieren keine Fehler.“

Aber auch ihm sind Fehler unterlaufen, unter denen die Colliezucht einige Jahre zu knabbern hatte. Er liebte den standardgerechten, wunderschönen Collie bedingungslos und nahm dafür Wesensschwäche in Kauf. Das wiederum ist für mich undenkbar, denn jeder Welpenkäufer wünscht sich vor allem einen belastbaren Hund, einen Kumpel und Freund der Familie. Aber wie immer im Leben: Wo liegt der goldene Mittelweg? Ich würde mir niemals einen Angsthasen kaufen, aber auch kein Colliefellknäuel mit der Rute auf dem Rücken. 

Wandteller als Preis für Silva Freize from Shiel 1962

Nie ein wahrer Züchter

Leider muss ich gestehen, dass ich nie ein wahrer Züchter war. Ich habe nie besonderen Ehrgeiz besessen. In der Zucht muss man hart sein und sich von Hunden trennen können, wenn sie dem Standard nicht entsprechen. Das ist sehr bitter und kostet jeden Züchter viele Tränen und schlaflose Nächte. Immer wenn Colliekinder ihr zu Hause verlassen mussten, habe ich von fast allen Käufern das Versprechen abgenommen, dass sie weder an Zucht noch an Ausstellungen interessiert sind. Sollten diese Welpen nicht wunschgemäß geraten, hätte ich keinerlei Einfluss mehr darauf gehabt, wohin sie weiterverkauft wurden. Aber ich habe mich selbst geirrt – selten, aber dann waren es wahre Horrorgeschichten. Zuchtmäßig kommt man mit solchen Vereinbarungen aber auf keinen grünen Zweig. Das war mit der Sheltiezucht so viel leichter. Da konnte ich fast alles behalten was nicht für die Zucht infrage kam. Aber Collies ohne Ende, das geht nicht, es sei denn, man lebt in einer Einsamkeit ohne Familie und ohne Beruf.

Collie, Sheltie, Katz und Co.

Vor zehn Jahren musste ich die Zucht aufgeben. Mein Mann wurde schwer krank, so dass hier ein Kommen und Gehen von Welpeninteressenten nicht mehr möglich war. Ich hatte noch den Spaß, dass 1993 mein Büchlein „Ein Leben mit Collie, Sheltie, Katz und Co.“ im Kynos Verlag erschienen ist, das mir besonders durch die Resonanz darauf sehr viel Freude gemacht hat. Das ist übrigens keine Reklame. Das Buch ist schon lange vergriffen. Es gibt keine Neuauflage. Nach meiner Brustkrebs-Operation ging es mir siebeneinhalb Jahre sehr gut. Als niemand mehr damit rechnete stellten sich Metastasen ein. Jetzt ist mein Leben sehr beschränkt, aber mit dem Einsatz meiner Schwester konnte ich alle Hunde und Katzen behalten. Nach dem Tod meines Mannes hielt zur Abschreckung aller eventuellen Einbrecher ein Deerhound bei mir Einzug. Zum Glück weiß kein Kundschafter, dass diese Hunde nur lieb und zärtlich sind. Wenn sich Quicky am Tor in ihrer vollen Größe aufrichtet, ergreift jeder die Flucht.

 Und damit sage ich allen Hundefreunden auf Wiedersehen. Vor allem hoffe ich eines Tages alle meine 53 Hunde und 5 Katzen wiederzusehen. 

Wenn ich Sie mit meiner Geschichte gelangweilt habe bitte ich um Entschuldigung. Es war nicht meine Idee. 

Herzlichst Ihre Gerda Bodenberger, 

September 2005.

Gerda Bodenberger war eine der liebenswertesten Persönlichkeiten, die ich in meinem Collieleben kennenlernen durfte. Sie ging ganz in ihren Hunden auf. Von Anfang an bereiste sie England und lernte die bedeutendsten Züchter und Hunde dieser wunderbaren Zeit der Rasse im Aufschwung nach dem Krieg kennen. Züchter aus aller Herren Länder kauften Zuchttiere im Mutterland und gaben sich bei den führenden Züchtern die Klinken in die Hand. Crufts gehörte selbstverständlich zum Programm, wenn man wissen wollte, was in der Rasse passierte. Sie fotografierte zum Glück gerne und gut und hinterließ mir viele interessante Fotos, auch seltene Aufnahmen aus England. Leider wurde ihr auf einer wichtigen Reise auf der Fähre der Fotoapparat mit allen Filmen gestohlen, was für ein Verlust… Gerda Bodenberger importierte viele Hunde aus England, insbesondere Blue merles, ihre großen Leidenschaft. Ich hatte eine Tochter des von ihr importierten Saalis from Shiel. 

Kurz vor ihrem Tod kam ein Paket bei mir an. Sie hatte ihre ältesten Unterlagen und Ahnentafeln ihrer Hunde eingepackt und hoffte, sie bei mir in guten Händen zu wissen. Sie hätte sicher große Freude am Collie Breed Archiv gehabt, wofür mir das alles sehr hilfreich war und so der Nachwelt hoffentlich erhalten bleibt. Ganz besonders schätze ich die große Wandplakette, die sie mit Silva Freize from Shiel 1962 gewonnen hat. Es gab damals jemandem im Club, der wunderbare Collieskulpturen schnitzen konnte. Die von Ferro vom Birkenwald ist noch in Familienbesitz. Über den Verbleib einer lebensgroßen Skulptur einer wunderbaren Sheltiehündin aus der Zucht von Willi Römpert weiß ich nichts.

Gerda Bodenberger am 3.9.2005

Bodenbergers lebten auf einem wunderschönen, riesigen Grundstück in einer großen Villa. Für die Hunde gab es ein komfortables Hundehaus, direkt am Haus mit großen Ausläufen. Aber ich fürchte, darin hat nie ein Hund gelebt… jedenfalls sah es nicht danach aus! Sicherlich war das ideal für die Welpenaufzucht. Anfangs waren sie dort einsam und alleine, aber im Laufe der Zeit wurde ringsherum gebaut und das Bellen der Hunde vermutlich zum Problem für die Nachbarschaft. 

Ich habe mich als Herausgeberin der Collie Revue sehr über ihren Artikel gefreut. Kurz danach kam ein Brief, sie habe es sich anders überlegt und wollte doch den Namen eines bestimmten Hundes nennen. Colliehistorie vom Feinsten!

Ihr Büchlein Collie, Sheltie, Katz und Co. ist heute ein begehrtes Sammlerstück und wirklich lesenswert. Bei Amazon sind noch ein paar wenige zu finden!

Gerda Bodenberger hat uns 2007 verlassen.

1 Kommentar

  1. Danke für diese wunderbare Collie Geschichte… ich habe von Frau Bodenberger sehr viel gehört – auch wenn ich selbst erst ein paar Jahre in der Collie Szene unterwegs bin………….

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*