MaIsa von Berlepsch

Ein wesentlicher Bestandteil der Collie Revue von Anfang an bis zu ihrem Tod 2001 war MaIsa von Berlepsch – die großen Wert auf die korrekte Schreibweise und Betonung – Ma Isa – ihres Vornamens legte. Wer MaIsa und ihren Hans-Dieter kannte, wird sie immer in liebevoller Erinnerung halten. MaIsa – eine aufrechte, stets ehrliche aber nie verletzende, sehr humorvolle Persönlichkeit und totaler Collie-Lover, Hans-Dieter beliebter Spezialrichter und Körmeister im Club für Britische Hütehunde. Nie habe ich irgendwelche „vereinspolitischen“ Worte von ihnen gehört, das Wohl der Rasse war ihr oberstes Ziel, und vor allem die Gebrauchstüchtigkeit. MaIsa hatte sich dem Hundesport verschrieben, Hans-Dieter konnte aufgrund seiner Kriegsverletzung nicht mitmachen, aber unterstützte seine MaIsa wo immer er konnte. 

MaIsa schrieb sehr gerne und viel für die Collie Revue in ihrem eigenen, unnachahmlichen Stil, den ich auch nie redigieren durfte. MaIsa eben… und ob ich auch manchmal zweifelte – unsere Leser liebten sie, die sehr eigenwilligen, persönlichen Berichte und Erfahrungsbeiträge. Berlepschs hatten sich der blue merle Zucht verschrieben, und sie suchten auch Kontakt in die DDR, das so eine Art Mekka für sie war, weil man dort den Schutzhundesport mit Collies ernsthaft betrieb. 

Wir wollen ihr Andenken bewahren und einen Teil ihrer Beiträge aus der Collie Revue auf Collienews veröffentlichen. Unvergesslich – und deshalb beginne ich damit – ist die Geschichte von Flora. Erschienen in der Märzausgabe der Collie Revue Nr. 67 von 1994

Marie-Luise Freifrau von Berlepsch, geb. Gräfin Wengersky, Freiin von Ungerschütz

27.1.1913 – 27.7.2001.  

Erinnerungen an Flora, der Beginn einer lebenslangen Liebe

Von MaIsa von Berlepsch, Collies vom Sittichgehege

Als mein Mann nach seiner schweren Verwundung endlich in unserer Nähe im Lazarett in Langensalza/Thüringen war, trainierte er auf der Straße, um wieder ordentlich gehen zu können. Da begegnete ihm ein Mann, der zwei wunderschöne Hunde an der Leine hatte. Mein Mann hatte diese Rasse noch nie gesehen, und er sprach den Mann an, der ihm erzählte, es seien Collies. Sie sprachen oft, und mein Mann erfuhr Näheres über diese Rasse. Er war so begeistert von den Tieren, dass er mir solch einen Hund schenken wollte als Belohnung für die viele Arbeit, denn ich hatte für viele Menschen zu sorgen. Flüchtlinge aus dem Westen, die vor den Bomben Schutz suchten, und Flüchtlinge aus dem Osten. Das Haus war bis zum Rand voll. Nebenbei musste ich mich noch um den Hof und das Vieh kümmern, da unsere besten Leute im Krieg waren. Und dann waren auch noch meine Kinder. Ich kochte für ungefähr 20 Menschen, und es musste Vorratswirtschaft sein. Man konnte nicht in einen Laden gehen und einkaufen. Im Übrigen vergessen Sie die Courts-Mahler Romanze, ich musste hart arbeiten. Nun hatte mein Mann eine Collie-Hündin gefunden, und zwar war sie bei dem Gefängniswärter in Langensalza. Also fuhr ich mit dem Zug dorthin. Ein griesgrämiger Mann empfing mich. Die Hündin Flora vom Haus Marwei, geboren 1940, sei zwei Jahre alt, war schussscheu. Es stimmte nicht, bei mir nicht, und deswegen wollte er sie nicht haben. Er verlangt auch „nur“ 200 Mark. Er holte Flora, drückte mir ein Stück Kuchen in die Hand, das wäre das einzige Mittel sie zu beruhigen. Er kam mit Flora, und wir schauten uns ruhig in die Augen. Hunde, die mir in die Augen sehen, sind nicht bösartig. Das sieht man am Ausdruck. Ich nahm Halsband und Leine und machte mich auf den Weg zum Bahnhof. Der alte Griesgram sagte: „Haben Sie keinen Maulkorb? Der Hund beißt!“ Meine Antwort, „beißt Flora mich bis zum Bahnhof bringe ich sie wieder“. Es war nun finstere Nacht und im Krieg, es war totale Verdunklung. Ob wohl heute ein Mensch noch weiß, wie unheimlich eine Stadt ist ohne Beleuchtung? Kein Fenster ist erhellt, nichts, man tastet sich die Straße entlang, und es ist gut, wenn man weiß, wo der Bahnhof ist. Da stand auf einmal ein Mann, der mir zudringlich werden wollte. Aber ohne Flora. Sie stand zähnefletschend vor mir. Also weiter zum Bahnhof. Der Zug stand schon da und schnell hinein. Aber dieser Kerl stieg dazu, und der Zug fuhr los. Damals gingen die Abteile nicht durch, man musste beim Halt umsteigen, und der Kerl musste umsteigen! Denn Flora wollte es so. Zu Hause angekommen, wollte sie zuerst auch nichts von meinem Mann wissen. Das hat sich aber bald normalisiert. Sie passte von alleine auf die Kinder auf. Sie war stets bei mir. Wo ich war, war der Hund auch. Ein beruhigendes Gefühl. Mein Mann war wieder im Lazarett, da wir sozusagen Kohlenhändler waren, bekamen wir einen Waggon Kohlen. Der Bürgermeister sagte, dass ich diese nicht bekommen sollte. Sie waren aber für meine Leute und für mich. Der Betriebsrat sollte sie verteilen. So sagte ich mir, anspannen. Ich bin im rasenden Galopp durchs Dorf gefegt, neben mir Flora. Der Bürgermeister hat keine Kohlen bekommen. 

Flora sollte nun Junge bekommen, und mein Mann und ich brachten sie nach Langensalza. Der Rüde war sehr schön und aus derselben Zucht. Wir ließen Flora dort. Ich hatte ein dummes Gefühl, aber mein Mann sagte mir „was du wieder mal hast“. Und wie recht ich hatte. Die Frau ließ das Fenster offen im ersten Stock, und als sie abends noch mal nach der Hündin sah, war diese nicht mehr vorhanden. Sie war aus dem Fenster gesprungen und die Nacht nach Hause gelaufen. Dort erwartete sie unser Jagdhund. Kommentar überflüssig. Auf jeden Fall begrüßte sie mich äußerst freudig. 

Als die Amerikaner kamen, musste ich aus dem Haus und konnte Flora nicht mitnehmen. Ich bin zwar jeden Sonntag in die Kirche, und Pfingsten alle drei Tage, aber sie musste alleine werfen. Sie war so verzweifelt, ich auch, dass sie von sechs Welpen vier getötet hat. Es blieben eine Hündin und ein Rüde. Diesen haben die Amis mitgenommen. Gegen viel Schokolade. Und da wir wenig zu essen hatten, war das gut für die Kinder. Die Hündin hatte eine witzige Fellfärbung, oben schwarz und unten braun. Biene war genauso scharf wie ihre Mutter und ich gab sie meiner Schwägerin und unserer Sekretärin. So hatten die beiden auch einen Schutz. 

Als die Amis abgezogen, war ich wieder im Gutshaus. Und jetzt war der Horror vollkommen. In der Nacht weckte mich Flora auf, denn sie hörte Pferdegetrappel auf dem Hof. Als ich aus dem Fenster sah, waren die Russen da. Mit ihnen kamen dann die deutschen Kommunisten, die von den Amis befreit worden waren. Sie kamen fast jede Nacht und holten Menschen. Flora wusste immer, wann sie kamen und weckte mich auf. Sie waren bis an die Zähne bewaffnet. Das Schreien der Frauen und Kinder werde ich nie vergessen. Flora und ich standen an der Haustür, und sie gingen schweigend an uns vorbei. Eines nachts kam der eine und sagte, ich soll um 8:00 Uhr fortgebracht werden ins Lager. Um 5:00 Uhr musste ich vom Hof. Meine Schwägerin wollte ein paar Tage vorher einige Sachen zu Bekannten bringen, da waren die Kerle hinterher und brachten alles zurück. Als ich das Pferd anspannte, riss das Halfter. Ich habe es schnell geflickt. Ich sah auch schon welche weglaufen, die den Bürgermeister warnten, dass ich fortwollte. Schnell die Kinder auf den Wagen, elf Jahre bis acht Monate. Sie waren so still, sie wussten wohl, worum es ging. Flora war nicht mehr da, und ich konnte sie nicht suchen. Ich musste fort, die Angst saß uns im Nacken, aber die Kerle haben uns nicht gefunden. Immer wieder suchte ich in Gedanken meine Flora. Als die Zäune an der Grenze noch nicht dicht waren, sollte ich sie wiederhaben. Es waren einige Jahre vergangen, aber kurz vorher ist sie gestorben. 

So begann unsere Liebe zu den Collies. Hunde, die feinfühlig und tapfer sind, die im geeigneten Moment den Besitzer verteidigen.

Die Geschichte rührt mich immer wieder an, wenn ich sie lese. Hans-Dieter von Berlepsch, Mitglied eines alten deutschen Adelsgeschlechts, dessen Wappentiere 5 Sittiche sind, daher der Zwingername vom Sittichgehege, bewirtschaftete ein großes Gut in Thüringen, wo er sich um die Zucht des Simmenthaler Rindes verdient machte. Übrigens wurde eine gute alte Apfelsorte nach einem Freiherr von Berlepsch benannt. Viele werden es heute nicht mehr wissen, ich weiß nicht, ob es die Schulen noch lehren, aber zunächst waren nach Kriegsende 1945 die Amerikaner in Thüringen, dann wurde Thüringen an die Russen im Austausch abgegeben. Der Einmarsch der Russen war gefürchtet und veranlasste viele Menschen zur Flucht. MaIsa hatte viele Kinder, ich weiß nicht mehr wie viele, aber die Vorstellung mit diesen kleinen Kindern auf dem Pferdewagen… Was sie nicht schreibt ist, dass Flora von Freunden behalten wurde, aber es nicht gelang sie später über die Grenze zu schaffen. 

Anmerkung: Es ist mir leider nicht gelungen, die Abstammung von Flora nachzuvollziehen. 1940 wurden zwei Würfe vom Haus Marwei gezogen, der B-und C-Wurf, letzterer mit einer tricolour Hündin. Ich weiß nicht, ob Flora tricolour war. Der F-Wurf mit der gelb-weißen Hündin Felina wurde allerdings erst 1942 geboren. Es gab tatsächlich einen Züchter in Langensalza: von der Dreyburg. Ich wünschte ich könnte MaIsa noch so viel fragen…