
1985 – vor 40 Jahren – erschien in der Septemberausgabe der Collie Revue mein Bericht. Wehmütig lese ich ihn heute und es ist als ob es gestern gewesen wäre. Alleine das Bangen, dass er das Mindestmaß erreicht – es wurden 58 cm, darüber wären einige Rüden heute froh, damals war das gerade mal erträglich… seine Nachzucht war für viele Züchter Startkapital und so kommt es, dass Cookie heute noch in den Ahnentafeln Europas zu finden ist und ihn auf eine Stufe mit den großen Vererbern der Colliezucht stellt. Übrigens, haben die genannten Hunde nach diesem Bericht vom September 1985 noch viele Titel errungen, z.B. seine Tochter Hortensie von den Goten Weltsiegerin 1986!
Von Eva-Maria Krämer
Meines Wissens nach gab es mit Bandit vom Tulpenhof 1956 den letzten Weltsieger aus deutscher Zucht. Es lohnt sich deshalb, den Weltsieger 1985 aus der Nähe zu betrachten.
So eine wunderschöne Hündin
Cookies Geschichte beginnt jedoch nicht im Mai 1981, sondern viele Jahre früher, als Waltraut Reinhard in den Hof trat und auf die Hündin starrte, die ein befreundeter Züchter für sie gerade aus Holland mitgebracht hatte. Damals waren die Reinhards noch im Begriff den Standard verstehen zu lernen, so dass ihre Reaktion wohl eher spontan als voller Sachkenntnis zu werten ist: „So einen schönen Collie habe ich noch nie gesehen!“ Es war Pretty, eine Goldsablehündin im Alter von 18 Monaten, die die beiden Reinhards begeisterte. Ihre herausragenden Qualitäten in Kopftyp, Gebäude und Haaranlage wusste der Laie kaum zu schätzen, sieht er doch als erstes Fehler anstatt Qualitäten und Pretty hatte für Laien einen Mangel, der aber züchterisch nicht ins Gewicht fällt: ihre Augen waren mittelgroß (mittelgroß steht zwar im Standard, aber ein mittelgroßes Auge ist für die meisten schon zu groß) und etwas hell. Trotzdem hatte die Hündin einen sanften, verträumten Ausdruck, wie man ihn sich schöner nicht vorstellen kann. Auf Ausstellungen war Pretty träge und desinteressiert. Sie erhielt einige Male vorzüglich 1, doch es machte keinen Spaß sie auszustellen, da sie ihre Ohren so gut wie nie zeigte. Nach Jahren in der Veteranenklasse ausgestellt präsentierte sich Pretty besser denn je… es ging ja um nichts!

Prettys Mission lag zweifellos in ihrer Laufbahn als Zuchthündin. Doch es war schwer einen passenden Partner für sie zu finden. Qualitätsvolle Rüden waren schon immer dünn gestreut, und einen Rüden von Prettys Qualität zu finden, der zudem das ideale Auge hatte, schien schier unmöglich. Damals war es für die Reinhards noch schwierig die Qualität der Welpen einzuschätzen, und so manch ein Käufer kam mit unerwartet schönen erwachsenen Pretty-Kindern zu Besuch. Im R-Wurf waren zwei super Hündinnen und es gelang Klaus Reinhard eine davon zurück zu kaufen. Bei ihrem ersten Besitzer brachte sie in ihrem ersten Wurf die CACIB-Gewinnerin Golden Candy vom Bergkloster. Rainbows und ihrer Schwester Rosemarys Nachzucht verkörperten genau den Typ, den sich die Reinhard wünschten, und der zweifellos zum großen Teil von Pretty kam.
Das Ei des Columbus
Doch das Ei des Kolumbus war die Verbindung Prettys mit Jamie, Chancellorville Aquitane und Pretty-Töchter mit ihm wie Rosemarie und Rainbow. Ein Rüde, der den Typ verkörperte und vererbte, den die Reinhards mit dem Kauf von Pretty anstrebten aber nur selten verwirklicht sahen, hatte bisher gefehlt. Einige Hündinnen standen im Zwinger, für die einfach kein Rüde zur Verfügung stand, der eine Typverbesserung nach Reinhards Vorstellungen bringen konnte.

Die Qual der Wahl
Auf ging’s nach England, um einen passenden Rüden zu kaufen. Man hatte sehr sorgfältig die Züchter im Süden Englands studiert. Dreimal musste ich bei Chancellorville anrufen, widerwillig. Zugegebenermaßen, denn vom Häuschen aus in England zu telefonieren ist ekelhaft. Aber Waltraut bestand darauf. Allerdings hatte ich von diesem Zwinger noch nichts gehört. Was konnte da schon zu erwarten sein? Aber ich war ja nur Dolmetscherin und schluckte meinen Unwillen, doch den Anblick, der uns in dem Reihenhausgarten mitten in der Stadt erwartete, werden wir unser Leben lang nicht vergessen! Der hintere Teil des Gartens war mit einem circa 80 cm hohen Holzzaun abgeteilt. Angesichts der Besucher standen alle Collies mit den Vorderpfoten auf dem Zaun und schauten uns neugierig, ohne einen Ton zu sagen, entgegen. (Wir trafen nie bellende Hunde bei englischen Züchtern an.) Es waren so 6-8 Hunde, Rüden und Hündinnen, Erwachsene und junge Tiere. Und es war ein einziges Gesicht: Prettys Gesicht. Waltraut seufzte und ich glaube, sie träumte davon, dass in Odernheim einmal solche Gesichter über den Zaun schauen würden. (Leider ließ das Wetter keine Fotos zu.) Die Collies stammten von einer neunjährigen Hündin, die Pretty sehr ähnlich war, obwohl keine Verwandtschaft bestand, abgesehen von den berühmten Vererbern, die heute alle Collies irgendwo gemeinsam in der Ahnentafel haben. Wäre sie nicht so alt gewesen, wir hätten sicherlich versucht sie zu kaufen. Drei Töchter und drei Söhne sowie einige Enkel waren da, darunter eine wunderschöne junge Hündin aus einer Bruder/Schwester Verpaarung. Unter den drei Söhnen nach drei verschiedenen Rüden hatte Waltraut die Qual der Wahl. Der jüngste fiel wegen seines Vaters, der ihr nicht zusagte, aus. Jamie bezauberte uns sofort, aber auch sein älterer Bruder war ein bestechender Hund. Doch zartknochige und feine Rüden wie ihn gab es derzeit in Deutschland mehr als genug. Zartknochige Hunde mochten die Reinhards gerade nicht haben. Jamies einmaliger Ausdruck, seine Haltung, seine Ausstrahlung und Gesamterscheinung ließen im Grunde keine andere Entscheidung zu.

Nur für die eigene Zucht
Dass es eine gute Wahl war, brauche ich den Lesern der Collie Revue nicht mehr zu sagen. Jamie gehört zu den am wenigsten benutzten und dennoch erfolgreichsten Deckrüden dieses Landes. Für die Reinhards war dieser Hund so ein Glücksfall, so etwas Unwiederbringliches, dass ihnen nie wohl dabei war, wenn fremde Hündinnen zum Decken kamen. Welch‘ eine Katastrophe, wenn er sich verletzte oder eine Krankheit zuzöge! So entschlossen sie sich, dieses Kleinod für die eigene Zucht zu reservieren, was ihnen manchen Ärger einbrachte, denn Hündinnenbesitzer scheinen der Meinung zu sein, dass Zuchtrüden Allgemeingut sind, die man für wenig Geld nach Gutdünken benutzen kann.

Der unglaubliche C-Wurf
Pretty war nun schon sieben Jahre alt. Hoffentlich brachte sie einige Hündinnen zur Auswahl. Und es war wenigstens eine dabei, die den Typ beider Hunde vereinte und möglichst alle Vorzüge der Eltern besaß. Am 8. Mai 1981 warf Pretty vier Rüden und eine Hündin. Die Hündin war unverkäuflich, denn sie war die letzte Tochter von Pretty. Auswahl hatte man ja nun leider keine. Einen Rüden brauchte man eigentlich nicht zu behalten, denn Jamie war noch jung. Doch ein kleiner Rüde war dabei, von dem Waltraud immer wieder erzählte, wie süß er sei und wie herzig von Geburt an. (Wenn ich von Waltraut Reinhard spreche, dann nur weil sie in erster Linie meine Gesprächspartnerin ist.) Sie hatte den kleinen Pimpf ins Herz geschlossen und hoffte irgendwo, dass sich kein Käufer finden würde, denn die Welpennachfrage war zu dieser Zeit (Ferien) nicht groß. Ein Rüde war von einem Colliefreund in der Schweiz bestellt, Cheyenne fehlt noch ein CACIB zum internationalen Champion, Corner ging in Privathand, ebenso der vierte Bruder. Und tatsächlich, Cookie war der letzte. Doch es zeigte sich rasch mit zunehmendem Alter, dass dieser kleine Rüde Qualität besaß, so dass er schon nach wenigen Wochen nicht mehr verkäuflich war. Er besaß Haltung und Ausstrahlung, verlor nie seine guten Kopfproportionen, war nie schlaksig und unschön, wie die meisten Welpen in der Entwicklungszeit. Wenn er so weitermachte und nur an der Größengrenze blieb, dann lohnt es sich schon, ihn für die Weiterzucht in Betracht zu ziehen.

Wenige Wochen nachdem Corner aus dem Haus gegangen war, kam er zurück. Die Tochter der Familie hatte eine Allergie, die vermutlich auf den Hund zurückzuführen war. Beim Züchter fand sich vielleicht eher ein Käufer. Interessant ist, dass diese Leute nach zwei Jahren kamen, um einen neuen Welpen zu holen, denn mit dem Weggang von Bourbon, wie sie Corner genannt hatten, war die Allergie nicht verflogen. Wenn die kleine Tochter schon mit einer Allergie leben musste, dann wenigstens mit einem geliebten Hund. Es fand sich aber kein Liebhaber. Wer mochte schon einen halbwüchsigen Rüden? Allmählich zeigte sich, dass er sehr schön zu werden versprach und man bemühte sich gar nicht so sehr um einen neuen Besitzer. Dies war auch gut so, denn Bourbon ist heute internationaler Champion.

Carry bezauberte ebenfalls durch ihr herrliches Gebäude, den wunderschönen Kopf und wenn auch nicht gerade mit kleinen, so doch dunklen Augen, die sie im Ausdruck sowohl Vater als auch Mutter immer ähnlicher werden ließ. Carry entfaltete ihre volle Schönheit eher im Ausstellungsraum als zu Hause und bewiesen ihre bestechende Erscheinung mit dem Titel Schweizer und nun internationaler Champion und als Mutter von zwei Würfen.
Voller Ungeduld sah Waltraut ihren Cookie (benannt nach Cookie aus der Fernsehserie 77 Sunset Strip) wachsen. Er wurde immer schöner, ein fröhlicher Hund, der eng mit seinem Frauchen verbunden war. Er wuchs sich aus auf 58 cm Schulterhöhe. Für die Jugendklasse würde das sicherlich reichen, und so gewann er bester Junghund aller Rassen und bester Rüde auf einer Club Show.
Das „Kekschen“ – wie Konkurrenten höhnten
Er war gerade 17 Monate alt und zugegebenermaßen nicht in vollem Haarkleid, aber die Reinhards fanden ihn so schön, dass sie ihn in der offenen Klasse meldet. Tatsächlich wirkte er zwischen den erwachsenen Rüden nicht gerade imposant, doch der Richter erkannte seine Qualitäten und gab ihm das CACIB gegen einen Sieg gewohnten Rüden in vollster Blüte aus der Siegerklasse. Das gab Aufruhr und Ärger, denn viele sahen dies nicht mit rechten Dingen zugehend. Doch dass hier weder ein Irrtum des Richters noch Korruption mit im Spiel waren, sollte die künftige Laufbahn des Rüden beweisen: Internationaler, Deutscher VDH Champion, Bundessieger, Winner und schließlich Weltsieger.
Klaus hatte wohl eher zweifelnd auf den kleinen, stämmigen Burschen gesehen, doch Größe alleine macht eben keinen Hund, weder nach oben noch nach unten, die Harmonie muss stimmen und bei Cookie stimmte sie. Doch der Erfolg brachte Neider. Ja, wenn er nicht so klein wäre, dann… Dabei deckte ein ebenso kleiner, aber im Ring nicht so erfolgreicher englischer Importrüde am laufenden Band. Er kam ja schließlich aus einem bekannten englischen Zwinger, bei ihm störte die geringe Größe offenbar nicht. Cookie hatte inzwischen die ersten Kinder und drohte sich zu einer beachtlichen Konkurrenz in Deckrüdenbesitzer- Kreisen auszuwachsen. Die Gerüchteküche kochte, allerdings laue Süppchen, wie – er vererbe durch getretene Beine -, was immer das auch ist. Reinhards haben es noch nicht gesehen. Doch wer Cookie benutzte, der sollte es nicht bereuen und eine seiner ersten Töchter wurde 1985 Weltsiegerin. Die noch junge Nachzucht macht sich im Ring bemerkbar: Nesthäkchen, Jugend-Winster, Quecksilber, bester Junghund aller Rassen, Jean in Frankreich, ein CACIB und drei CAC, Paprika CAC in Holland in der Jugendklasse, alle aus dem Hause Reinhard. Eine Hündin aus dem Zwinger of Green Street in Luxemburg CACIB in Brüssel, Quendy vom Kreuzpark Luxemburger Jugendchampion, Hortensie von den Goten Luxemburger, Club Champion. Er vererbte auch seinen Typ mit Hündinnen minderer Qualität und brachte stets starke Verbesserung. Mit Qualitätsvollen Hündinnen jedoch brachte er Spitzenhunde.

Aber… es wachsen keine Bäume in den Himmel..
…auch nicht in Reinhards Garten. Es begann damit, dass ein neues Gerücht seinen hässlichen Kopf emporreckte: nach Cookie seien zehn Hündinnen leer geblieben. Gestreut von einer Deckrüdenbesitzerin. Zehn Hündinnen leer. Das war absurd. Cookie hatte innerhalb einiger Wochen sechs Hündinnen gedeckt. Die ersten beiden waren schwierige Deckakte gewesen, bei denen ohnehin wenig Aussicht auf Erfolg bestand. Beides Erstlingshündinnen, dass sie leer blieben, war kein Grund zur Aufregung. Als dann die eine oder andere der nachfolgenden Hündinnen zwar zu bestimmten Zeiten Anzeichen der Trächtigkeit zeigten, die sich aber nicht bestätigte, wurde man hellhörig. Nun, es konnte immer mal vorkommen, obwohl Cookie bisher stets volle Würfe gebracht hatte und von 27 gedeckten Hündinnen nur 2 leer geblieben waren, ein hervorragender Schnitt. Und ausgerechnet jetzt dieses Gerücht? Samenuntersuchung? Ohne heiße Hündin war da nichts zu machen. Schließlich stand noch die eigene gedeckte Hündin aus. Wenn sie nichts brachte, musste etwas geschehen. Und tatsächlich sie blieb leer, obwohl sie vorher immer volle Würfe gehabt hatte. Es dauerte noch ein paar Wochen, bis eine Hündin heiß war, so dass die Untersuchung vorgenommen werden konnte: keine Spermien, nicht eine einzige. Kein Hinweis auf eine Infektion oder Krankheit oder Verletzung oder sonst was. Cookie hatte auch immer voller Elan gedeckt. Einziger Rat des Tierarztes: eine Hormonbehandlung und hoffen, dass er eines Tages wieder produziert.

Die Enttäuschung und Niedergeschlagenheit, die sich bei Reinhards ausbreitete, ist nicht zu beschreiben. Zumal aus den letzten Würfen, die lange vorbestellten besten Hündinnen an Züchter abgegeben worden waren. Cookie war ja noch jung und es würden noch viele Würfe kommen…
Wer nicht wagt, der nicht gewinnt…
Ich weiß nicht, wie es weitergegangen wäre, aber immer wieder geht die Sonne auf! Carrys züchterische Laufbahn stand an und damit wieder das Problem, welcher Rüde für diese hervorragende Hündin, der wenigstens ein gleichwertiger Partner sein würde. In Anbetracht dessen, dass man die Mutterlinie über Generationen hinweg gut kannte, in England die Familie des Vaters gesehen hatte, die Verbindung Pretty-Jamie offenbar gelungen war und keine Mängel gebracht hatte, entschlossen sich die Reinhards zu einer Bruder-Schwester Verpaarung.

Unvergleichlicher Ostwind
Am 18.4.1984 warf Carry nach Cookie vier Rüden. Einer stach heraus, wieder eine Persönlichkeit von Hund, ohne die anderen abzuwerten einfach Beachtung forderte. Dusty liess die Reinhardschen Herzen von klein an höher schlagen. Er ist ein großer strammer Bursche voller Temperament und selbstsicher, dabei zärtlich und verspielt. Ein Hund, der sich natürlich und unbefangen im Ring zeigt, mit 15 Monaten errang er drei CACIB in drei Ländern und vier CACs. Das war der Hund für Klaus Reinhard, wie es Cookie für seine Frau war.

Der Wurf war so gut gelungen, dass er wiederholt wurde. Diesmal war Gott sei Dank eine Hündin dabei. Dusty und Romina sollen über den Verlust Cookies als Zuchthund hinweghelfen. Sie sind die nächste Generation, mit der es weiter zu planen und zu züchten, gilt. Für Reinhards hat Cookie seine Aufgabe erfüllt, aber manch einer, der sich zu spät entschloss Cookie zur Zucht zu benutzen wird ein wenig wehmütig auf seine Kinder blicken.

Cookies Geschichte ist nicht nur die eines sieggewohnten Ausstellunghundes oder erfolgreichen Verderbers. Diese gibt es reichlich. Cookies Geschichte ist die eines engagierten Züchterpaars, das in ihm und seinen Nachkommen den Collie-Typ gefunden hat, denn es liebt und züchten will.