Deutsche Collie Historie – Rückblicke in die 80er

Warum amerikanische Collies?

Warum amerikanische Collies?

Von Regine Clermont, Collies von den Salzwiesen – Collie Revue Juni 1987

Wie kommt man nun dazu, in einem Land, in dem fast ausschließlich Collies englischer Abstammung gezogen werden, amerikanische Collies zu halten und – noch schlimmer – zu züchten?

Der ausschlaggebende Grund für mich vor nunmehr gut zehn Jahren mit der Haltung und Zucht amerikanischer Collie zu beginnen war, dass ich mir einen größeren, kräftigeren und nervenfesteren Collie sowie bei den Rüden mehr Maskulinität wünschte. Da der amerikanische Standard andere Größen und Gewichtsangaben vorschreibt (Hündinnen circa 55-60 cm, Rüden 60-65 cm; Gewicht 22,5-29 und 27-34 kg) und die amerikanischen Collies, die ich mir angesehen hatte, auch im Nervenkostüm einen besseren Eindruck auf mich machten als ihre englischen Verwandten und die Rüden tatsächlich nach Rüden aussahen, bewirkten dann mein Umschwenken.

Standardunterschiede

Nach zehn rein amerikanisch gezogenen Würfen mit circa 55 Welpen, von denen ich einige bis ins Erwachsenenalter hinein behalten habe sowie dem genauen Verfolgen der verkauften Hunde, stellte ich fest, dass diese Eigenschaften absolut überwiegend zutreffen. Ausnahmen gibt es, aber ganz selten. Allerdings sind die oben genannten Merkmale nicht die einzigen Unterschiede zwischen den amerikanischen und englischen Collies. Ich möchte mich vor Verallgemeinerung hüten, bedenkt man die Größe der Population und die Vielzahl der Linien der Collies in Amerika und die winzige Anzahl von Tieren, die nach Deutschland gekommen sind. Aber anhand ausgedehnter Bildbetrachtung wird man schnell feststellen, dass die amerikanische Interpretation des Colliekopfstandards anders ist als die der Europäer. Man legt offensichtlich viel mehr Wert auf ein volles Vorgesicht und den in England häufig zu sehenden Dreieckskopf scheint man gar nicht zu mögen, was natürlich zu einem anderen Ausdruck und kräftigeren Unterkiefer führt. Aufgrund der größeren und kräftigeren Gesamterscheinung ist der Kopf ohnehin größer und kräftiger. So wirken die Köpfe vieler amerikanischer Collies für diejenigen, die den englischen Anblick gewohnt sind, befremdend schwer.

Soweit zu den Unterschieden, die man meiner Meinung nach verallgemeinern kann. Es gibt auch noch etliche andere positive wie negative, die aber meines Erachtens nach linienbedingt sind und nach Einsatz eines neuen Individuums verschwinden oder aufkommen.

Schwierigkeiten im Showring

Aus den oben genannten Merkmalen ergibt sich als natürliche Folge die Schwierigkeit, die amerikanischen Collies im Ausstellungsring hier haben. Sie sehen eben „anders“ aus. Dies „anders“ aussehen hat nach meinen Erfahrungen auf das Publikum und auf die im Ring beteiligten Personen jedoch eine ganz gegensätzliche Wirkung. Jedenfalls hat mich die spontane Ansprache aus dem Publikum bei meinen (nicht allzu häufigen, genau genommen nur wenn es unumgänglich war) Aktivitäten als teilnehmender Aussteller überrascht, wie häufig man angesprochen wird, und Welpenanfragen aus den entlegendsten Teilen Deutschlands und sogar aus dem Ausland kommen von Käufern, die NUR einen Collie haben wollen, also keine Aussteller und Züchter sind. Sie hatten bei der Suche danach festgestellt, dass der heute überwiegend gezogene Collietyp nicht der ist, den sie sich vorgestellt haben. Immer wieder kommen dabei die Argumente, wie sie auch bei mir damals vorhanden waren, zu klein, mickrige Knochen, zu ängstlich, feminine Rüden.

Insofern ist das Ausstellen amerikanischer Collies positiv. Die Reaktion der Richter ist es dafür weniger häufig. Die Größe und der andersartige Ausdruck reichen manchmal aus, ein insgesamt abwertendes Urteil zu sprechen. Weitere Betrachtungen, ob neben den erwähnten Fehlern – aus Sicht des Betrachters, der englische Collies schätzt, müssen es solche sein – vielleicht Vorzüge vorhanden sind, werden gar nicht mehr angestellt. Überrascht hat mich auch der Kommentar, den ich in den Jahren von Ausstellern und Züchtern englischer Collies häufig hörte und der sinngemäß so lautet: „Wenn ich ehrlich bin, mag ich die großen Collies ja auch viel lieber, aber man hat ja damit keinen Erfolg im Ring.“

Zu wenig Auswahl an Zuchttieren

Das größte Handikap für den Züchter amerikanischer Collies ist die Auswahl der vorhandenen Zuchttiere, die sich dadurch auszeichnet, dass man so gut wie keine hat. Verglichen mit der Situation bei den englischen Collies ist im Laufe der Jahre nur ein winziger Bruchteil importiert worden. Diese paar Hunde waren dann auch noch – teilweise bewusst, teilweise zufällig – sehr ähnlicher Abstammung und hatten die gleichen Fehler. Die wenigen Züchter hatten nicht die Möglichkeiten, jeden vielversprechenden Junghund zu behalten. Aus diesem Dutzend Zuchttiere ist natürlich nicht unbedingt der Partner für die eigene Hündin/Rüde zu finden, der gut für sie/ihn wäre. Eine Situation, die einen ein bisschen lustlos machen kann, wenn man weiterkommen möchte und sich nicht damit begnügen mag, bei der Qualitätssicherungssuche bei Größe und Gewicht aufzuhören.

Trotzdem ist es eigentlich erstaunlich, dass auf dieser sehr bescheidenen Basis überhaupt noch Hunde gezogen werden können, die ihren Liebhaberkreis gefunden haben und finden, bei sogar vergleichsweise seltener oder gar keiner Anzeigenwerbung. 

Amerikanische Collies in Deutschland

Von Eva-Maria Krämer – Collie Revue 40 Juni 1987

Erstaunlich viele Leser erwähnten in unserer Umfrage, dass sie mehr über amerikanische Collies und speziell über die Tiere in der Bundesrepublik wissen möchten. Bisher führte der amerikanische Collie hierzulande ein Aschenputteldasein. Er wurde gehegt und gepflegt von einigen wenigen Liebhabern. Gelegentlich machten Collies amerikanischer Blutführung auch im Ausstellungsring von sich reden. Leidenschaftliche Schaugänger waren aber die deutschen Besitzer amerikanischer Collies nie. Im Ausstellungsring erfolgreiche amerikanische Collis gab es seit nach dem Krieg. Sie gehörten US-Militärs, die in Deutschland stationiert waren. So erinnere ich mich an eine „Glen Hill Edelfrau Heidi“ zu Beginn der Sechzigerjahre oder noch früher einen Rüden, der auch zur Zucht benutzt wurde. Die deutsche Zucht jedoch beeinflussten diese Hunde nicht.

Importe seit Beginn der 70er Jahre

Gezielte Importe deutscher Züchter gibt es erst seit Beginn der Siebzigerjahre. Die Geschichte begann mit Charlie – Romulus of Heather, die sie auf dieser Seite lesen können.

Charlie folgte in den Zwinger von der Wielandsschmiede die „Traveling Lady of Heather“, eine Tochter des berühmten Siegers und Vererbers, Ch. Tartanside The Gladiator und die „Two Jay’s the Magic Touch“ aus einem damals führenden Zwinger, gezüchtet auf den berühmten Vererber Ch. Two Jay’s Hanover Enterprise. Später brachten Regners aus den Staaten die „S’More’s Angel in Disguise“ mit. Damit war der Grundstein gelegt für die Zucht amerikanischer Collies in Deutschland. Züchterkollegen, die ebenfalls nicht mehr aus noch ein wussten, weil ihre Zuchten von epileptischen Hunden geplagt waren, benutzten Charlie oder kauften Zuchthündinnen aus dem Zwinger von der Wielandsschmiede. Zu Ihnen gehören Schaumanns, die einen Wurf mit Charlie machten und daraus eine Zuchthündin behielten, Mutter der unvergessenen internationalen Champion, zweifacher Bundessiegerin usw. „Queen von der Ruhrstadt“ und Silke Sauerland, geborene Hoppmann, deren Collies feinster englischer Abstammung große Erfolge feierten. Sie kaufte eine Magic-Charlie Tochter und importierte die „Two Jay‘s All A Fire“. Besonders Gebrauchshundesportler interessierten sich für die Amis, die ein fröhliches, aufgeschlossenes, stürmisches Temperament besaßen und gute Voraussetzungen für die Ausbildung boten. Eines Tages rief mich der Ausbildungswart des Clubs für britische Hütehunde an. Und obwohl jung an Jahren doch ein alter Hase im Ausbildungswesen suchte für seine Hündin einen wesensfesten Rüden. Was damals nicht einfach war. Für mich gab es nur eine Alternative: Charlie. Seitdem sind Collies von der Schönebecker Schweiz und amerikanisches Blut ein Begriff. Hermann Steinbrink kaufte eine Tochter von „Traveling Lady of Heather“ und Charlie – die wunderschöne Roba von der Wielandsschmiede.

Importe von Zuchthündinnen

Eines Tages las ich in einem Zuchtbuch des CfBrH, dass ein Amerikaner mit einer Wickmere-Hündin hier gezüchtet hatte – ein mir sehr bekannter Zwingername. Wir besuchten „Wickmere Bolero“ in Kaiserslautern und konnten arrangieren, dass Bolero einen Wurf bei Regners aufzog. Dieser Wurf sollte Bedeutung erlangen durch zwei Söhne „Indian Creek Black Eagle“, der viel deckte und „Indian Creek Buffalo Hunter“ über seinen Sohn „Golf von der Schönebecker Schweiz“. Inzwischen konnten sich immer mehr Hundeliebhaber für die amerikanischen Collies begeistern, nämlich die, die einen kräftigen, wesensfesten Hund einer ängstlichen Schauschönheit vorzogen. Regine Clermont dürfen wir nicht vergessen, die selbst schlechte Erfahrungen mit einem scheuen epileptischen Collie aus bester englischer Zucht gemacht hatte und eine Alternative suchte. Sie kaufte einen Rüden von der Silkinen Burg und übernahm später dessen Mutter „Two Jays All A Fire“. Sie hatte nur einen, dafür aber bedeutenden Wurf im Zwinger von den Salzwiesen nach einem Sohn des berühmten American Champion Antrum Alltheway II. Wir fuhren zum Decken nach Dänemark, einen Tag nach der Weltausstellung in Henning im Juni 1977. Aus diesem Wurf stammt Ascalero von den Salzwiesen, der als Deckrüde eingesetzt wurde. Es war an diesen gemeinsam verbrachten Tagen endloser Diskussionen um den traurigen Stand der Rasse, dass wir beschlossen, die Collie Revue herauszugeben, die im September erschien. Regine Clermont importierte „Asgard Althea“, Tochter eines ebenfalls namhaften Vererbers, Champion Lick Creek’s Pizz Azz, gedeckt von dem damals sehr populären Champion „Candray Concorde“.

Hermann Steinbrink züchtete zunächst mit Roba von der Wielandsschmiede weiter. Inzwischen wandten sich Amerikaner, die hier lebten und eine gedeckte Hündin mitbringen wollten an mich und fragten nach Sinn und Interesse in Deutschland. Tatsächlich kam eine bildschöne tricolour Hündin bester Abstammung, Rawyns Hi Fu Hiflutin, eng verwandt mit Regine Clermonts, Asgard Althea, aus Champion-bewährter Zucht. Aus diesem Wurf kauften die Züchter von der Wielandsschmiede einen Rüden „Rawyn‘s Panther“, der viel zur Zucht eingesetzt wird. Als die Züchter nach Amerika zurück gingen, gelang es Hermann Steinbrink, die Hündin Hiflutin, genannt Piper, zu erwerben, die seiner Zucht neue positive Impulse gab.

Luise Petersmann darf keinesfalls fehlen, wenn wir über amibegeisterte Züchter sprechen. Sie hatte eine ihrer Hündinnen bei „Handsome Harvester von der Silkinenburg“ decken lassen. Aus diesem Wurf stammt „Hummelchen“ SchHIII „Bijou von der Silberschmiede“, Mutter des unvergessenen „Don“ (Mountain Springs Aymes), Sohn von „Indian Creek’s Buffalo Hunter“. Don hat als ausgebildeter Rettungshund für die Rasse sehr viel mehr getan als jeder Champion, denn er warb in der Öffentlichkeit für die Klugheit und Zuverlässigkeit des Collies. Neu hinzugekommen ist Mrs. Arnold mit ihrer jungen amerikanischen Hündin „Milas Clouds of Glory“, die noch ihre Ausstellung und Zuchtlaufbahn vor sich hat (Anmerkung EMK: Sie machte das Richtige und nutzte den Int. Ch. Ostwind vom Hause Reinhard, den ich vom Typ her für ideal für solche Auskreuzung hielt, mit großem Erfolg). Erwähnen sollte man an dieser Stelle den Halbami „Delicieux Fulvo di Cambiano“. 

Warum so wenig Zuchteinsatz?

Nun mögen Sie fragen, warum hat man von den Hunden so wenig gehört, wenn sie offenbar hervorragender Abstammung waren? Warum wurden sie nicht mehr in der deutschen Zucht eingesetzt? Hierzu möchte ich auf Frau Clermonts Kommentar verweisen. Allerdings darf nicht unerwähnt bleiben, dass persönliche Differenzen zwischen den Zuchtverantwortlichen des Zuchtvereins und den führenden Ami-Züchtern die Arbeit mit amerikanischen Collies sehr erschwerten. Das soll nicht heißen, dass die Amis damals alles hervorragende Collies waren. Zum großen Teil wurden unfertige Jungtiere unfachmännisch präsentiert und viele Exemplare waren viel zu groß, aber sie hatten nicht mehr und nicht weniger Fehler als ihre englischblütigen Konkurrenten. Damals waren die Typunterschiede meiner Meinung nach nicht so gravierend wie heute, d.h. die amerikanischen Köpfe weniger extrem lang und schmal und die englischen weniger dreieckig, bestachen dafür fast ausnahmslos durch sicheres, freundliches Auftreten im Ring, wodurch sie aus der Menge herausragten, die damals wesensmäßig stark zu wünschen übrig ließ. Es gehörte schon Mut dazu, einen Ami zur Zucht zu benutzen, und wenn ein Hund nur ahnen ließ, amerikanischer Blutführung zu sein, wagte es kaum ein Richter einen solchen Hund für eine höhere Note, gar eine Platzierung, in Betracht zu ziehen. Darauf gerecht gerichtet zu werden – damit meine ich durchaus nicht Siegen um jeden Preis – konnte man nur selten hoffen. Diese Zeiten sind glücklicherweise lange vorbei und die jüngeren Leser unter uns, die damals nicht dabei waren, werden Mühe haben, meine Zeilen zu verstehen. Heute flackern zwar hie und da noch alte Vorurteile auf, doch kein Züchter würde sich mehr Gedanken darüber machen in Ungnade zu fallen und dadurch Erfolg einzubüßen, wenn er einen Ami einkreuzte. Heute haben wir das Problem der gravierenden Typunterschiede, die manchen zögern lassen, weil vielleicht ein oder zwei Generationen lang kein Schauhund fällt. Bedenken sollte man jedoch, dass eine Zuchtplanung langfristig anzulegen ist und nicht nur im Hinblick auf die kommende Schausaison. Die wenigen gezielten Mischungen englisch-amerikanischer Hunde waren zum Teil recht erfolgreich und sind heute noch Träger mancher Zucht. Versuche mit englischen Spitzenhündinnen wurden nicht gemacht. Jedoch blieben nur Züchter, die ohnehin nicht viel ausstellten und mehr an zufriedenen Welpenkäufern interessiert waren, den Amis auf Dauer treu.

Inzwischen kann man behaupten, dass die Amispezialisten Bedeutendes geleistet haben. Mit so wenigen Importen über die Jahre konnte die Qualität stetig verbessert werden. Heute können sich im Großen und Ganzen die Hunde sehen lassen, sofern sie nicht zu groß und mächtig geraten, was natürlich noch immer ein Problem für viele, ansonsten schöne Hunde ist. Ein „V“ oder eine Platzierung ist für die Hunde, die sich die Züchter zur Weiterzucht ausgesucht haben, durchaus drin. Ich bin sicher, wären die Amizüchter begeisterte Aussteller, die ihre Hunde gekonnt auf vielen nationalen und ausländischen Ausstellungen präsentierten, hätten die Amis einen festen Platz in der Zuchtplanung manchen Züchters.