American Story – Teil 2 – 45 Jahre zurück

Collie
Romulus of Heather Foto: Klaus Regner

Der Zustand der Rasse war in den 1960er Jahren desolat. Es gab zwar einige wirklich schöne Collies, aber der Anteil an wesensschwachen Hunden war enorm hoch. Epilepsievorfälle häuften sich und führten zu heftigen Diskussionen. Aber das ist eine andere Geschichte, zu der hier noch viele Ordner auf ihre Aufarbeitung warten. 

Die Ahnenforschung hinter der Epilepsie führte dazu, dass ich eingeladen wurde mit meiner Ahnentafelsammlung (Collie Breed Archive in Aktenordnern…) zu Regners zu kommen, da sie mit der Universität Gießen an der Erforschung der Epilepsie beim Collie zusammenarbeiteten und man nirgendwo sonst die Zusammenhänge so komplett nachvollziehen konnte wie in meinen Ordnern. Es war mir natürlich eine Freude, stammte meine erste Colliehündin, geboren 1961, aus einer epileptischen Familie, so dass ich nur zu gut wusste, worum es ging. Ich hatte aber damals schon meine Fühler in die USA ausgestreckt und abonnierte die Collie Cues, nach deren Vorbild ich später die Collie Revue gründete. In meinen Ordnern befanden sich auch Fotos etc. von Top US-Collies und Klaus Regner warf nur einen Blick darauf und es war um ihn geschehen… aber Kontakte waren ohne Internet und bei sündhaft teuren Telefonaten schwer zu knüpfen, Korrespondenzen dauerten Wochen. Züchter waren nicht wirklich interessiert den Aufwand zu betreiben, um Hunde nach Europa zu schicken. Die wenigen, die antworteten, verlangten astronomische Summen. 1 Dollar hatte damals einen Kaufwert gegenüber heute von über 8 Dollar! und war um die 4 Euro schwer, d.h. 8 DM. Ein erwachsener Hund war nicht unter 10.000 DM zu kriegen, zusätzliche Kosten dazu. Und mal eben ungesehen, das Fliegen war auch entsprechend teuer, ein solches finanzielles Risiko einzugehen, war schwierig. Dennoch kam Charlie herüber, „Sägbock“ für die einen, Offenbarung eines Collies für die anderen. Aufgrund der Epilepsievorgeschichte hatten sich inzwischen persönliche Feindschaften innerhalb der Clubszene entwickelt, die es unmöglich machten über Schatten zu springen und über vernünftige Zuchtprogramme nachzudenken, geschweige denn, zusammen zu arbeiten. Und seither haben es bei uns die Amis schwer… 

Charlie war ein Glücksfall. Ich habe hier einen ganzen Ordner voll Korrespondenzen mit einem Fachmann, der sich in den USA der Epilepsie beim Collie widmete und mir auf all unseren Ahnentafeln eintrug, wo Epilepsie vorkam oder zu erwarten war. Ich habe von ihm eine Liste illustrer Vererber, die nachweislich epileptische Nachkommen hatten. Tatsächlich aber war die Abstammung von Charlie nach seiner Aussage in keinster Weise betroffen.  Eva-Maria Krämer

Doch nun Klaus Regners Nachruf auf Charlie „Romulus of Heather“ aus der Collie Revue Sept./Dez. 1980.

Collie
Romulus of Heather Foto: Klaus Regner

Romulus of Heather

2.9.1968-17.3.1980

Am 17.3.1980 nahmen wir für immer Abschied von unserem Charlie – Romulus of Heather – einem Collierüden, der wohl zu den schönsten und edelsten Hunden gehörte, die ich jemals kennen lernte. Sein feinfühliges Wesen, seine ganze Erscheinung waren einfach über alles erhaben. So und nicht anders musste ein Collie sein! Charlie wurde zum Meilenstein meines Zwingers. Und das kam so:

Im Frühjahr 1972 gastierte die „Wiener Bühne“ für nur einen Abend in Siegen. Mitwirkender Bill Anderson, ein amerikanischer Sänger. Zufälliger Treff ein Parkplatz der Siegener Oberstadt. Bill sah meinen Sheltie und sprach mich an. Er suchte für seine in Deutschland lebende Familie einen Sheltierüden. „Cinderella“, meine Sheltiehündin, war gerade tragend und so hoffte ich, seinen Wunsch erfüllen zu können. 

Es gibt keine Zufälle…

Nach der Vorstellung trafen wir uns zu einem Glas Wein. Er sprach gut Deutsch und so kam es zu munterem Geplauder. Als er von einem Collie-Zwinger in seiner Heimat Long Island sprach, horchte ich auf! Als ich dann noch erfuhr, dass dieser Zwinger einer guten Bekannten seines Freundes gehörte, entschloss ich mich zum Import eines amerikanischen Deckrüden. Aber wie wollte ein Sänger – keine Ahnung vom Collie und seinem Standard – mir einen Zuchthund meiner Vorstellung aussuchen? Da hatte ich die Idee, Bill wie einen Computer mit entsprechendem Fotomaterial zu füttern. Und tatsächlich – es klappte. Er war nach einiger Zeit in der Lage, mir anhand der Fotos zu zeigen, welchen Typ von Collie ich wünschte. Er sollte möglichst zuchterprobt sein, und sein Preis für mich erschwinglich sein. Ich wusste inzwischen, dass man für Collies meiner Wünsche bis zu 20.000 DM hinblättern musste. Welche Aufgabe für den armen Bill Anderson!

Collie Portrait
Romulus of Heather

Die letzte Chance

Für mich hing von meinem Wunsch schon sehr viel ab. Ich sah darin die letzte Chance meiner Colliezucht: Seit 1967 züchtete ich Collies. Bestes Ausgangsmaterial (Bundessieger), vom Zuchtbuchführer des Rassezuchtvereins empfohlen. In vier Würfen nur scheue und verhaltensgestörte Hunde und 14 Tiere, die an epileptiformen Krämpfen litten. Meine eigene Ahnenforschung und die Inaugural-Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades bei dem Institut für Erbpathologie und Zuchthygiene der Justus-Liebig-Universität in Gießen sowie die Meinung namhafter Wissenschaftler bestätigten meinen Verdacht, dass diese Krankheit nur durch Umgehen der Anlageträger ausgemerzt werden konnte. Aber wo waren die erbanlagefreien Linien unserer Collies? Über 100 kranke Tiere waren in meinen rein privaten Aufzeichnungen festgehalten. Und dies war nur die Spitze eines Eisberges! Jeder Züchter hatte Angst, seinen Zwinger damit zu belasten – also wurde geschwiegen und weiter mit den erblich belasteten Tieren gezüchtet!

Bill Anderson war von mir auch über dieses Problem informiert und so ging er etwa 14 Tage später mit seiner schwierigen Mission in die USA – gespanntes Warten folgte! Endlich schellte eines sonntags – Mitternacht war längst – vorbei das Telefon: „Hier ist Bill, ich bin in New York und habe heute deinen Collie gefunden! Dreieinhalb Jahre alt, ich glaube, er ist genau das, was du suchst!“ Ich stimmte zu. Und so ging Charlie auf die Reise über den großen Teich.

Ein eindrucksvoller Collie

Am Sonntag den 7. Mai 1972 war es dann so weit. Wir standen voller Erwartung auf dem Rhein-Main-Flughafen in Frankfurt. Endlich schwebte der Clipper ein. In der Frachtguthalle entdeckten wir dann seine Kiste. Schnell hin – es war Charlie! Sein Kopf – und was für ein Kopf! – war eng an das kleine Fenster der Kiste gelehnt, und er sog genüsslich die frische Luft ein. Als er seinen Namen hörte, nahm er Blickkontakt auf. Es war Freundschaft auf den ersten Blick! Nach Abwicklung der Formalitäten durften wir ihn aus seinem Gefängnis befreien.

Wir waren verblüfft und begeistert zugleich, als wir sahen, was da aus der Kiste kam. Solch einen eindrucksvollen Collie hatten wir noch nicht gesehen! Er war groß mit starken Knochen. Die Rippen unter dem überlangen Haar waren wundervoll rund. Die Rute elegant getragen und auffallend lang. Sein Kopf war kräftig, zur Gesamterscheinung passend und doch so schmal, wie wir bis dahin keinen gesehen hatten. Der Oberschädel war flach und genauso lang wie die Oberlinie seines Fangs. Das Auge von vollkommenem Schnitt und Sitz. Der ganze Kopf war so fein modelliert, dass er trotz seiner rüdenhaften Erscheinung großen Adel ausgestrahlte. Sein Blick war durch und durch freundlich, er schien zu lächeln, ein Hund von vollendeter Ausgeglichenheit. Die Ruhe in all seinen Bewegungen und Reaktionen war beeindruckend, doch dabei wirkte er keinesfalls uninteressiert. Ein wundervoller Collierüde. Ein König! Kein Wunder, sein Pedigree wies in fünf Generationen 21 Champions auf und Kenner der amerikanischen Colliezucht behaupten, dass Romulus of Heather von den besten und erfolgreichsten Zuchten der USA abstammte (Brandwyne).

Collie
Collierüde US-Import Romulus of Heather geb. 1968 – im Alter von 8 Jahren

Der neue Boss in der Wielandsschmiede

Nach einem kurzen Spaziergang ließ sich unser Charlie willig im Auto unterbringen und ab ging es in seine neue Heimat, dem Waldzwinger von der Wielandsschmiede. Dort zeigt er allen anwesenden Hunden unmissverständlich, wer hier in Zukunft Boss sein würde. Er kannte vor allem unter seinen männlichen Zwinger genossen kein Pardon. Dabei kam es nie zu einer ernsthaften Beißerei. Es genügte, die Rute anzuheben, seine Ohren hoch und ganz eng zu stellen und die Lefzen ungehalten nach oben zu ziehen. Wenn der andere demütig zeigte, dass er Charlie anerkannte, war die Sache vergessen.

Keine großen Ausstellungserfolge

Seine Ausstellungslaufbahn begann am 4.6.1972 in Stuttgart mit einem „sehr gut 4“ und endete 1978 mit einem „vorzüglich“ in Wien-Tulln. Große Ausstellungserfolge waren ihm nie vergönnt. Sein Erscheinungsbild war hierzulande einfach zu außergewöhnlich. Hinzu kam, dass er im Ring meist Passgang zeigte und etwas kuhessig wirkte. Charlie brauchte Anlauf! Hatte er Platz zum freien Traben, schwebte er locker und leicht über den Boden. Aber leider waren die deutschen Ringe meist so eng und klein, dass die Tiere häufig Tuchfühlung hatten. Das veranlasste ihn stets unmissverständlich zu zeigen, wer hier der Here im Ring war. Dabei war Charlie eine Seele von Hund, kinderlieb und geduldig wie eine Oma und alles andere als aggressiv.

Als Deckrüde war Romulus ein reines Vergnügen. Er deckte ruhig und bestimmt. Wir lernten, dass man sich 100-prozentig auf ihn verlassen konnte, wann der Decktag der Hündin war. Gleichgültig, ob am 13., 15. oder am 20. Tag der Hitze, wie bei der Hündin Anja. Es gab trotzdem einen vollen Wurf mit schönen Welpen. Darunter auch Carmen vom Fährsteg, die Europa-Jugendsiegerin wurde und oft mit vorzüglich bewertet und platziert wurde.

Seine Kinder haben allen Besitzern viel Freude bereitet, die in ihren Hunden den Freund und Gefährten suchten. Drei Söhne und Enkel von Charlie werden sein Erbgut weitertragen und so Romulus of Heather in die deutsche Collie-Geschichte eingehen lassen. 

Klaus Regner 

Ich kann das nur bestätigen, ich kenne Charly vom ersten Tag in Deutschland und habe ihn auch als erste zur Zucht eingesetzt. Es ist bis heute meine Überzeugung, dass ein Schuss amerikanisches Blut viel Gutes bewirken kann, wie wir das ja schon bei Delicieux di Cambiano gesehen haben, rein amerikanische Zuchten aufzubauen hielt ich immer für sehr schwierig. Charly finden wir nicht nur hinter vielen deutschen Collies, sondern auch hinter vielen illustren englischen Collies, wie z.B. der all-time Great – Ingledene Late Nite Love und somit ihrem großartigen Enkel Ingledene Spirit of Legend. EMK